Bauhaus Museum Dessau

Bauhaus Museum Dessau
© Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Thomas Meyer/OSTKREUZ

Bauhaus Museum Dessau

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Das Bauhaus Museum Dessau ist ein Haus im Haus – ein schwebender Rie-gel aus Beton in einer gläsernen Hülle. Mit diesem Konzept überzeugten addenda architects Ende 2015 die Jury eines offenen internationalen Wett-bewerbs. Der Entwurf des jungen Architekturbüros aus Barcelona war eine von 831 Einreichungen aus der ganzen Welt. Die Architektur zeichnet sich in Konzept und Ästhetik gleichermaßen durch Klarheit und Schlichtheit aus. Sie agiert zurückhaltend, aber dennoch überzeugend und geht in ihrer Formen-sprache ebenso kreativ mit der Gegenwart wie mit der Moderne um.


Im Zentrum von Dessau gelegen, bildet das Bauhaus Museum Dessau sowohl eine Grenze als auch eine Verbindung zwischen Stadt und Natur. Je nach Lichtverhältnis spiegelt sich die Umgebung unterschiedlich stark in der Glasfassade oder erlaubt Durchblicke. Auf der Stadtseite verstärkt sich die Beziehung zur Stadt, wenn sich die gegenüberliegenden Gebäude spiegeln. Auf der Parkseite verstärkt sich die Beziehung zur Natur, wenn sich die Bäume spiegeln. Betritt man das Gebäude erscheint jedoch alles offen und transparent.


Das Herzstück des Museums ist die Black Box im Obergeschoß. Sie ist ein aufgeständerter in sich geschlossener Kubus aus Stahlbeton. Konservato-risch begründet ohne Tageslicht bietet sie auf 1.500 Quadratmetern optimale klimatische Bedingungen für die Präsentation der empfindlichen Sammlungs-objekte. Sie ist circa 100 Meter lang, 18 Meter breit und schwebt fünf Meter über den Köpfen der Besucher. Für die Konstruktion orientierten sich addenda architects am Brückenbau. Die Statik reizten sie soweit wie möglich aus. So liegt der Kubus lediglich auf zwei 50 Meter voneinander entfernten Treppenkernen auf. Stützende Säulen dazwischen gibt es nicht. Die beiden Enden kragen circa 18 Meter aus. Darunter befinden sich auf der einen Seite im Norden die Kunstgutanliefe-rung sowie Büroräume und im Süden die Veranstaltungsund Vermittlungs-räume.


Zwischen den Treppenkernen befindet sich im Erdgeschoß die Offene Bühne. Ein flexibel nutzbarer, multifunktionaler Bereich mit Foyer, Ticketing, Café und Shop sowie auf 600 Quadratmetern Raum für Wechselausstellun-gen. Die Arbeiten Lichtspielhaus von Lucy Raven (Kunst am Bau) und Arena von Rita McBride bilden darin ein Forum für Tanz, Konzerte, Theater, Perfor-mances, Diskurse, Gespräche, Vorträge, Filmscreenings und Begegnungen. Die äußere Hülle bildet die vierseitig umlaufende Glasfassade. Sie umgibt Black Box und Offene Bühne und stellt diese – ähnlich einer Vitrine – wiede-rum als Ausstellungstück zur Schau. Gegliedert in ein 2,10 Meter breites Raster arbeiten addenda architects hier bewusst mit der Wiederholung – und verliehen ihrem Entwurf damit große Flexibilität. Während sich die Maße der Black Box aus der Vorgabe für die Größe der Ausstellungsfläche ergaben, standen die Außenmaße des Baus nicht von Beginn an fest. Entscheidend waren ökonomische Faktoren: Geld und Zeit. Mit den zur Verfügung stehen-den Mitteln wurde das Gebäude so groß wie möglich gebaut.


Im Ergebnis entstand innerhalb von nur knapp zweieinhalb Jahren ein 105 Meter langes, 25 Meter breites und 12 Meter hohes Gebäude. Verbaut wurden insgesamt 571 dreifachverglaste Scheiben, die Wärmeschutz, Son-nenschutz, Vogelschutz sowie Sicherheit bieten.


Das Bauhaus Museum Dessau wird von addenda architects (González Hinz Zabala), einem jungen Architekturbüro aus Barcelona gebaut. Ende 2015 wurde der Entwurf in einem offenen internationalen Wettbewerb unter 831 Einreichungen als Sieger ausgewählt. Architekt Roberto González spricht über das Grundkonzept des Museums und neue Wege, die er und seine Kol-leg*innen beim Bauhaus Museum Dessau gegangen sind.


Was ist das Konzept der Architektur für das Bauhaus Museum Dessau?

Roberto González: Unser Grundkonzept für das Museum war, einen großen, flexiblen Raum zu schaffen, in dem Ausstellungen und Workshops stattfin-den können, ohne dabei von der Architektur eingeschränkt zu werden. Diese Idee galt es, mit den Vorgaben für das Museum zu verbinden: Es sollte eine Fläche von 1.500 Quadratmetern für die Sammlungspräsentation bieten, ohne direkten Lichteinfall und mit optimalen klimatischen Bedingungen für die Objekte. Daraus entsprang die Idee für die Black Box, ein abgeschlossener Kubus aus Beton, der nicht den Boden berührt. Die Black Box ist fast 100 Meter lang und 18 Meter breit und liegt auf zwei Treppenhäusern auf, die 50 Meter voneinander entfernt sind. Stützende Säulen gibt es nicht.


So schwebt die Black Box fünf Meter über den Köpfen der Besucher. Sie ist immer da, immer präsent – wie das Erbe des historischen Bauhauses. Um das Gebäude zu nutzen und zu erleben, muss man nicht immer durch die Ausstellung mit den historischen Objekten gehen. Im Erdgeschoss befindet sich die Offene Bühne, die Raum bietet für zeitgenössische künstlerische Positionen. Hier blicken wir in die Zukunft – und die Zukunft ist offen, flexibel und heißt jeden willkommen. Den Raum unter der Black Box konnten wir aber nicht tatsächlich offen las-sen. Wir befinden uns in Nordeuropa, wo es viel regnen und sehr kalt wer-den kann. Wir haben deshalb eine Art Wintermantel aus Glas gebaut. Die Glasfassade dient zum Schutz. Gleichzeitig entstand dadurch zusätzlicher Raum für Ausstellungen, Veranstaltungen und Büros im Erdgeschoss.


Der Standort des Gebäudes ist ein besonderer. Wie gelingt die Einbettung des Museums in den Dessauer Stadtpark?

González: Zum ersten Mal in Dessau war ich im Jahr 2005. Ich habe das wunderschöne Bauhausgebäude und die Meisterhäuser gesehen. Damals dachte ich, das ist Dessau. In der Wettbewerbsphase für das Museum haben wir dann zusammengetragen, was wir über Dessaus Zentrum wissen. Es war nicht viel. Da wurde uns bewusst, dass der Standort des Museums ein bedeutender Aspekt ist. Die Leute kommen, um das Bauhausgebäude auf der einen Seite der Bahngleise zu sehen. Was auf der anderen Seite ist, wird schnell übersehen. Beim zweiten Besuch hatten wir das schon im Hinterkopf. Wir sahen die Stadt mit anderen Augen und haben uns gefragt: Was könnte das Interesse eines Besuchers wecken? Wir gingen durch alle Straßen, die zum Stadtpark führen, um nachzuvollzie-hen, was die Besucher auf ihrem Weg zum Museum sehen. Es gibt zwei wichtige Hauptachsen: Kommt man aus Richtung des Bahnhofs, sieht man nicht viel von dem Gebäude. Anders, wenn man in der Ratsgasse steht. Hier geht man direkt auf das Museum zu und erkennt, dass es das Bauhaus Mu-seum Dessau ist. Das Gebäude bekommt eine Präsenz. Das Gleiche pas-siert von der Parkseite aus.


Das Bauhaus Museum Dessau bildet sowohl die Grenze als auch eine Ver-bindung zwischen Stadt und Park. Das Gebäude selbst hat zwei gleiche Sei-ten. Je nachdem wie die Lichtverhältnisse sind, spiegelt sich die Umgebung jedoch unterschiedlich stark. Auf der Stadtseite verstärkt sich die Beziehung zur Stadt, weil sich die Fassaden der gegenüberliegenden Gebäude spie-geln. Auf der Parkseite verstärkt sich die Beziehung zur Natur, wenn sich die Bäume spiegeln. Der magische Moment ist, wenn man das Gebäude betritt. Plötzlich steht man mitten drin. Es gibt keine Begrenzung mehr. Alles scheint offen, trans-parent und fließend zu sein.


Das Museum hat eine fünfte Fassade: das Dach. Ein begrüntes Dach.

González: Das Bauhaus Museum Dessau steht im Dessauer Stadtpark. Wir wollten den Park erhalten. Deshalb haben wir ein Stück von ihm auf das Dach gebracht. Neben diesem symbolischen Hintergrund gibt es auch einen funktionalen: Das Regenwasser kann zur Bewässerung der Pflanzen genutzt werden und die Pflanzen wiederum helfen, das Gebäude zu isolieren.


Wie viel Bauhaus steckt in der Architektur des Bauhaus Museums Dessau?

Gonzalez: Eigentlich gibt es nichts, das von Anfang an als Zitat gedacht war. Aber als Architekten aus Barcelona hatten wir schon immer eine enge Bezie-hung zu Mies van der Rohe. Zum Pavillon in Barcelona gibt es eine starke Verbindung. Natürlich liebt nicht jeder Architekt in Barcelona diesen Pavillon, aber wir sind ein Team von Mies-Fans. Als wir das Programm für den Wettbewerb gesehen haben, sahen wir, dass es eine Herausforderung wird. Aber nicht im Sinne von Mies van der Rohes "less is more“. Für uns galt: "more with less“.


Bei unserem Gebäude geht es um Proportion, Positionierung und Raum. Weniger um die qualitativ hochwertigsten Materialien. Doch in der richtigen Kombination von Materialien, Raum, Farben etc. zeigt sich beim Bauhaus Museum Dessau, dass man mit wenigen Ressourcen ein herausragendes Ergebnis erhält. Das ist sehr Bauhaus. Wenn man sich die Bauhausbauten anschaut, sieht man, dass schon die Bauhäusler versucht haben, aus einem Minimum das Beste herauszuholen. Es gibt auch unmittelbare Parallelen zum Bauhausgebäude. Sie waren aber ebenfalls nicht als Zitat gedacht. Die Black Box liegt auf den Treppenhäusern wie eine Brücke. Auch das Bauhausgebäude hat eine Brücke. Beide Ge-bäude haben zwei sich gegenüberliegende Türen, über die sie betreten und auf der anderen Seite verlassen werden können. Uns ging es bei diesen Ent-scheidungen vor allem um Flexibilität und Funktion. Und das war vermutlich das gleiche, was sich Gropius beim Bauhausgebäude dachte. Im Ergebnis ist es also sehr viel Bauhaus.


Welche innovativen Ansätze haben Sie realisiert?

González: In Spanien sind wir Architekten es gewohnt, neue Dinge zu erfin-den und auszuprobieren. Wir sind weniger eingeschränkt durch Normen und Vorgaben als in Deutschland. Für unsere Ideen für das Bauhaus Museum Dessau mussten wir jedoch bereits vorhandene Lösungen finden. Damit schafft man aber nicht Neues, sondern wählt lediglich aus einem Katalog aus. Für das Bauhaus Museum Dessau haben wir deshalb Standardisierun-gen soweit ausgereizt wie möglich. Die Black Box beispielsweise ist wie eine Brücke konstruiert. Sie ist an den Enden nach oben gebogen, da ihr Eigengewicht, das Gewicht der Besucher und das Gewicht der Objekte sie nach unten ziehen werden, sobald die Ge-rüste weg sind. Am Ende hat man idealerweise eine horizontale Linie. Er-reicht wird diese allerdings nicht sofort, sondern im Laufe der vielleicht nächsten 20 Jahre. Weil die Black Box aus Beton und Stahl besteht, kann der Verlauf auch nicht ganz genau berechnet werden. Es gibt einen Spiel-raum – der allerdings deutlich größer ist als der Standard. Die Planung und Konstruktion war eine Herausforderung. Wir mussten den Standard stark er-weitern. Aber wir haben Partner gefunden, mit ihnen diskutiert und schließ-lich eine Lösung erzielt, die alle verantworten wollten und konnten. Damit ha-ben wir etwas Einzigartiges geschaffen. Und etwas, auf das andere Architek-ten in Deutschland wieder zurückgreifen können.


Nur bei der Fassade haben wir bewusst auf Standards gesetzt. Hier spielen wir mit der Idee der Wiederholung. Während sich die Maße der Black Box aus der Vorgabe für die Größe der Ausstellungsfläche ergeben, standen die Außenmaße des Gebäudes nicht von Beginn an fest. Sie ergeben sich aus ökonomischen Faktoren: Geld und Zeit. Mit den Mitteln, die wir hatten, haben wir das Gebäude so groß wie möglich gebaut.


Welche neuen Materialien haben Sie verwendet?

González: Wir haben Systeme verwendet, die nicht allzu üblich sind. Auch bei der Klimatisierung des Gebäudes. Im Erdgeschoss gibt es – außer im Verwaltungstrakt und im Veranstaltungsraum – keine Fußbodenheizung oder gar Klimaanlage. Das wäre weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich. Wir haben hier eine Menge Luft, die klimatisiert werden muss, und eine Glasfas-sade, durch die bei Sonnenschein zusätzlich Wärme ins Gebäude gelangt.


Wir nutzen die große Fußbodenfläche, indem wir eine Wasserleitung in ihr verlegt haben. Im Winter können wir sie mit heißem Wasser beheizen. Im Sommer leiten wir kaltes Wasser durch die Rohre. Über das Lüftungssystem strömt außerdem ständig frische Luft durchs Gebäude. Diese Luft wird dann vom Boden gekühlt. Hier in Deutschland ist dieses System relativ neu. Im Süden Spaniens kennt man es von den traditionellen andalusischen Patios. Etwas Brandneues ist das Material, aus dem der Vorhang gefertigt ist. Die Fassade besteht zwar aus einer Dreifachverglasung mit einem aufgedruck-ten Sonnenschutz und vielen Schichten, die vor Wärme schützen. Hinter der Fassade braucht es jedoch ein weiteres Element, das zwei Funktionen über-nimmt: Den Belüftungsbereich eingrenzen und gleichzeitig vor Sonne schüt-zen. Unser Vorhang hat auf einer Seite eine innovative metallische Be-schichtung, die 70 bis 80 Prozent des Sonnenlichts reflektiert. Wir haben da-von 3.000 Quadratmeter eingesetzt.


Während des Baus des Bauhaus Museums Dessau haben Sie eine Reihe von Cahiers veröffentlicht. Welche Idee steckt dahinter?

González. Während der Wettbewerbsphase haben wir mit vielen Kollegen diskutiert, die keine Architekten sind. Darunter war auch Moritz Küng, ein Herausgeber und Kurator für Kunst und Architektur, der auch mit Künstlern zusammenarbeitet. Er brachte uns mit dem Leipziger Fotografen Joachim Brohm in Kontakt, der sehr daran interessiert war, den Prozess des Muse-umsbaus zu fotografieren.


Ein Architektur-Fotobuch zur Dokumentation fanden wir allerdings zu ge-wöhnlich. Wir wollten auch hier etwas kreieren, das es bisher nicht gab. Je-der brachte seine Ideen ein, wir diskutierten sie und so entstand die Idee für die Cahiers.


Die insgesamt zehn Hefte begleiten den Prozess des Museumsbaus und zei-gen ihn aus einer anderen, künstlerischen Blickrichtung. So gibt es nicht nur Fotos von der Baustelle und der Architektur. Die Fotos konzentrieren sich vielmehr auf andere Seiten der Baustelle. Die Seiten, die wir sehr spannend und interessant finden. Außerdem haben wir Informationen veröffentlicht, die typischerweise nie veröffentlicht werden, wie z.B. technische Zeichnungen oder unbearbeitete Protokolle. Wenn Architekten sonst ihre Werke präsentie-ren, zeichnen sie alles neu, damit sie schön und einfacher aussehen. Tech-nische Zeichnungen sind in der Regel jedoch vielschichtig und voll gepackt mit Informationen. Genau das wollten wir unmittelbar zeigen. In einem Ca-hier befindet sich deshalb der Plan des Obergeschosses im Maßstab 1:50 auf einem zwei Meter langen Blatt.

Project credits

Architekten
Hersteller

Project data

Projektjahr
2019
Kategorie
Museen
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