Studio Gang, das internationale Architektur- und Stadtplanungsbüro unter der Leitung von Jeanne Gang, hat sein erstes Projekt in Frankreich fertiggestellt: das John W. Boyer Center der University of Chicago in Paris. Das neue akademische Zentrum, das als europäisches Zentrum für Wissenschaft und Forschung im 13. Arrondissement von Paris dient, wird von der Architektin als "anmutige Campus-Umgebung" beschrieben, in der die intellektuelle Arbeit mit sozialen Aktivitäten und einem biodiversen Lebensraum belebt wird.
Das Zentrum, das Teil einer neuen Entwicklung im sich rasch wandelnden Pariser Stadtteil Rive Gauche im 13. Arrondissement ist, umfasst auch ein gemischt genutztes Wohngebäude des vor Ort ansässigen Architekturbüros PARC Architectes. Das Projekt baut auf der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der University of Chicago und Studio Gang auf, die 2016 zu einem bedeutenden 40 000 Quadratmeter großen Wohnprojekt auf dem Campus der Universität in Chicago führte.


Ein neuer vertikaler Campus für Paris
Als Eckpfeiler dieses pulsierenden Viertels in Paris ist das Zentrum als vertikaler Campus konzipiert. "Sein mehrstöckiges Atrium taucht den Raum in Licht und fördert die visuellen Verbindungen zwischen den verschiedenen Programmen", erklärt Gang. "Unser Ziel war es, die soziale Interaktion, die akademische Zusammenarbeit und den kulturellen Austausch zwischen der University of Chicago und der Stadt zu fördern." Das Zentrum erstreckt sich über 2.365 Quadratmeter und ist um ein transparentes zentrales Atrium herum aufgebaut, das nicht nur die Integration von Lern-, Forschungs- und Sozialräumen erleichtert, sondern auch natürliches Licht in das Gebäude leitet.


Das Gebäude beherbergt neun Unterrichtsräume, darunter einen speziellen Laborlehrbereich, sowie ein Forschungsinstitut, das als Drehscheibe für Gastwissenschaftler dient. Im obersten Stockwerk befindet sich ein Veranstaltungsraum mit doppelter Höhe, der mit einem biodiversen Dachgarten verbunden ist und einen landschaftlich reizvollen Ort für den intellektuellen Diskurs durch Konferenzen und kulturelle Veranstaltungen bietet. Ein anpassungsfähiges Amphitheater steht ebenfalls für Vorträge und größere Versammlungen zur Verfügung.
Durch die direkte Anbindung an einen Regionalbahnhof und eine aktive Straßenebene, die durch eine neue Kunstinstallation von Tony Lewis aufgewertet wird, verbindet das Zentrum seinen akademischen Zweck mit öffentlichem Engagement. Das Gebäude selbst ist so konzipiert, dass es möglichst wenig stört. Es steht auf einer Stahlplattform, die die darunter liegende Bahnlinie elegant überspannt.
Zu den Außenbereichen gehören der gemeinsame Innenhof, der Dachgarten, die Loggia und die gemeinsamen Terrassen. Diese sind mit regionaltypischen Pflanzen bepflanzt und so angelegt, dass sie die biologische Vielfalt fördern und soziale Kontakte herstellen.


Eine Fassade aus lokalem Stein
Das Gebäude zeichnet sich durch eine Brise-Soleil-Fassade aus, die aus etwa 900 zylindrischen Stäben besteht. Die steinernen Stäbe fungieren als filternder Schirm, dessen Porosität auf das Programm im Inneren reagiert. Sie verdichten sich um die privaten Studien- und Forschungsräume und öffnen sich, um die Aktivitäten in den öffentlichen Räumen und den Veranstaltungsräumen zu ermöglichen.
Jeder Stab ist mit lutetischem Kalkstein verkleidet, einem Gestein, das in weiten Teilen der Pariser Region verwendet wird und seit der Antike ein gängiges Baumaterial ist. Der Kalkstein verbindet das Gebäude mit dem Hauptcampus der Universität in Chicago, wo er ebenfalls ein wichtiges Baumaterial ist, und ist gleichzeitig mit der Geschichte von Paris verwurzelt.

Ökologische Strategien
Eine Reihe von Umweltstrategien trägt dazu bei, den CO2-Fußabdruck des Projekts zu minimieren und die biologische Vielfalt zu fördern, von Außenbereichen, die mit regionalspezifischen Arten bepflanzt sind, bis hin zur Verwendung von Massivholz für einen großen Teil der Gebäudestruktur. Das in Frankreich und Österreich beschaffte und gefertigte Holz reduziert auch die kohlenstoffintensiven Transportemissionen. Auch der Stein für die Stäbe der Fassade stammt aus einem Steinbruch, der nur 40 Kilometer vom Standort entfernt ist.
Die erhöhte Luftzirkulation und die natürliche Belüftung werden durch die vertikale Bauweise des Gebäudes und die zahlreichen Außenbereiche begünstigt. 235 Quadratmeter Fotovoltaikmodule auf dem Dach erzeugen saubere Energie vor Ort und verringern die Abhängigkeit vom Stromnetz. Das Gebäude wird auch an die Heiz- und Kühlsysteme des Viertels angeschlossen, um die Effizienz zu verbessern.
Das vertikale Design des Campus ermöglicht eine erhöhte Luftzirkulation im gesamten Gebäude und verbessert die Gebäudeleistung. Außenbereiche auf jeder Ebene verbessern die natürliche Belüftung und den Komfort der Bewohner.

Zertifizierungen, Labels und Initiativen
Im Einklang mit dem Pariser Klimaaktionsplan, einer umfassenden Strategie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen, zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Erreichung eines kohlenstoffneutralen Fußabdrucks bis 2050, strebt das Zentrum die folgenden Zertifizierungen und Labels an:
-Association pour le développement du bâtiment Bas Carbone (BBCA) - Level Standard
-LEED - Silber
-Well - Silber
-HQE BD 2016 - Stufe Très Performant)
-BiodiverCity - Basisstufe
-Biosourcé -Stufe 2
Zu den städtischen Initiativen, die das Gebäude erfüllt, gehört ParisPluie, eine Umweltstrategie, die auf eine nachhaltige Bewirtschaftung des Regenwassers in Paris abzielt, indem durchlässige Oberflächen und Grünflächen vergrößert werden, um städtische Überschwemmungen zu reduzieren und die Wasserqualität zu verbessern. Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft wurden durch die Wiederverwendung von geborgenen Granitpflastersteinen im Erdgeschoss umgesetzt.

