Im Jahr 2017 gewann das Basler Büro Degelo Architekten den internationalen Architekturwettbewerb für das neue Kongresszentrum Heidelberg. Im neuen Heidelberger Stadtquartier "Bahnstadt" in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs gelegen, überzeugte das Gebäude die Wettbewerbsjury durch seine harmonische Gestaltung und seine sorgfältige Einordnung in den urbanen Kontext. Die wellenförmige, vorgehängte Fassade und der rote Sandstein aus regionalem Natursandstein erwiesen sich als ein überzeugendes Gestaltungselement.
Fassade (Visualisierung):
Die Fertigstellung des Heidelberg Congress Centers ist für das Frühjahr 2024 geplant. Kürzlich wurde das Gerüst entfernt, das das Gebäude verhüllte, um die markante Fassade freizulegen - ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Projekts. Wie das berühmte Heidelberger Schloss und viele andere Bauwerke in der Umgebung besteht auch die Fassade des Kongresszentrums aus rotem Sandstein aus dem Neckartal, einem Material, das seit mehr als 1.000 Jahren abgebaut wird.
Der Steinbruch, in dem der örtliche Sandstein gebrochen wird:

In einem Interview mit Florian Walter von Degelo Architekten, dem federführenden Architekten des Heidelberg Congress Centers, beschreibt er das Konzept des Projekts und erläutert die Entwicklung der einzigartigen Fassade.
"Das Heidelberg Congress Center ist als öffentliches Gebäude ein markantes Bauwerk im Zentrum der neuen Bahnstadt", sagt Walter. "Der freistehende Baukörper mit seinen skulpturalen Einschnitten und Glasfassaden thematisiert die beiden öffentlichen Räume, die an das Gelände angrenzen. Die Glasfassaden gewähren Einblicke in das Kongresszentrum und kontrastieren mit der massiven Sandsteinfassade. In seiner Gesamtheit kommuniziert das Gebäude mit dem umgebenden städtischen Umfeld."
Gestaltung und Ausführung der Fassade des Heidelberg Congress Centers
Heidelberg ist eine Universitätsstadt - die Universität Heidelberg wurde 1386 gegründet und ist die älteste Hochschule in Deutschland. Sie ist auch eine Geschäftsstadt: 70 Prozent der Übernachtungen in Heidelberg werden von Geschäftsreisenden getätigt. Das neue Kongresszentrum will sich daher als Veranstaltungsort positionieren, was nicht zuletzt durch die Gestaltung des Gebäudes erreicht werden soll.
Das Foyer in der Gebäudemitte und das Oberlicht (Visualisierung):
Die neue Fassade steht in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der Geschichte Heidelbergs, seiner barocken Altstadt und dem berühmten Schloss. "Die langlebigen und massiven Steinfassaden, die in der historischen Innenstadt zu finden sind, waren in der Tat eine Inspiration für die Fassade des Kongresszentrums", sagt Walter. "Die Fassade kann in dieser Tradition verstanden werden - sie soll vertraut und doch auch als etwas völlig Neues erscheinen. Gestalterisch reizvoll ist sicherlich das Wechselspiel zwischen der Körperlichkeit der überwiegend geschlossenen Sandsteinfassade und den fast raumhohen Glasfassaden des Foyers."
Die weitgehend fensterlose Sandsteinfassade erweckt den Eindruck eines "Bühnenvorhangs" und zeigt die Verwendung des Naturmaterials auf besonders zeitgemäße Weise. "Der für die Fassade verwendete regionale Buntsandstein ist Teil der Heidelberger Identität und wichtig für die architektonische Verankerung des Gebäudes im Stadtraum", erklärt Walter. "Die Riffelung, die ornamentalen, tropfenförmigen, runden Fensterrahmen und der Wechsel zwischen rauen und polierten Oberflächen ergeben ein reiches Farb- und Lichtspiel. Die Steine wurden mit einer Kombination aus traditioneller Handarbeit und dem Einsatz von computergesteuerten Werkzeugen bearbeitet.
Die wellenförmigen Steinwellen erinnern an einen Vorhang:
Die tränenförmigen Fenster sind glatt und fein poliert:
Ein polygonaler Gebäudeentwurf:
Degelo Architekten erzielten die Riffelung, indem sie die Verkohlung - in der Art eines traditionellen Steinmetzes - digital abzogen und dann von Hand abbrachen. Diese Bearbeitung der Oberfläche reduziert die feine gelbe Marmorierung des Steins auf ein Hintergrundmerkmal. "Die Ambivalenz zwischen der Solidität einer Steinfassade und der Raffinesse der Oberflächenbehandlung ist besonders reizvoll", sagt Walter. In einem ergänzenden Kontrast dazu wurden die Rahmen der tropfenförmigen Fenster fein poliert. Als polygonales Gebäude bilden die beiden zurückgesetzten, fast raumhohen Glasfassaden einen weiteren Kontrast - ihre Einfügung in das Gesamtvolumen stellt eine visuelle Verbindung zu den Innenräumen her und sorgt dafür, dass das Gebäude offen und einladend wirkt.
Die CNC-Fräse bei der Arbeit:
Durch unterschiedlich tiefes Anzünden wird die Riffelung sichtbar:
Die grobe Bearbeitung des Steins reduziert die feine gelbe Marmorierung auf ein Hintergrundmerkmal:
Walter erklärt, wie die Sandsteinfassade aufgebaut wurde: "Die Natursteinfassade ist in massiver Ziegelbauweise errichtet und weitgehend selbsttragend. Als Schalenkonstruktion, die von einem Metallrahmen gehalten wird, ist sie eine hinterlüftete Fassade, die Passivhausstandard erfüllt. Selbst die technisch notwendigen Dehnungsfugen wurden geschliffen, so dass die ansonsten gegliederte Natursteinmauerwerksfassade monolithisch wirkt."
Klima und Passivhausstandard
Heidelberg hat ein relativ mildes Klima, und das Kongresszentrum ist so konzipiert, dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Innen- und Außenbereich gewährleistet ist. Walter erklärt: "Die überwiegend massiven Fassadenteile und der hohe Anteil an thermischer Speichermasse, der durch die Stein- und Betonflächen des Gebäudes erreicht wird, sorgen für ein ausgeglichenes Klima. Die Aufheizung, die durch die Sonneneinstrahlung über die Glasfassaden entsteht, wird so ausgeglichen. Durch einen niedrigen G-Wert [Gesamtenergiedurchlassgrad] der Verglasung konnte zudem auf externe Sonnenschutzmaßnahmen verzichtet werden. Die passive, lokale Kühlung reguliert das Raumklima im Sommer.
Modelle der gewellten Sandsteinfassade:
Das Kongresszentrum Heidelberg wurde von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Gold (in der Kategorie "Gebäude Neubau") ausgezeichnet. Die Bewertungskriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) berücksichtigen unter anderem eine nachhaltige Bauweise und den Einsatz umweltverträglicher Materialien. Die Hauptenergieversorgung des Heidelberg Congress Centers erfolgt über Fernwärme/-kälte und Photovoltaik, ein Gründach schafft ein Mikroklima für die Artenvielfalt und durch die Versickerung von Regenwasser wird eine Reduzierung des Abwasseraufkommens erreicht.
An den Ecken des Gebäudes befinden sich weitere eingelassene Öffnungen:

Ein Screenshot von Live-Bauaufnahmen zeigt die Fotovoltaikmodule und das Gründach:
"Das Gebäude erfüllt, wie auch der Rest der Bahnstadt, Passivhausstandards. [Die Bahnstadt wird als "eine der größten Passivhaussiedlungen der Welt" bezeichnet.] Die Auswahl der Materialien, von der Fassade bis zu den Bodenbelägen, erfolgte nach strengen Nachhaltigkeitskriterien, die die Langlebigkeit und den geringen CO2-Ausstoß bei der Herstellung und Nutzung berücksichtigen", so Walter.
Urbaner Mehrwert
In seiner Praxis als Architekt vertritt Florian Walter die Ansicht, dass "wir gute Strategien für 'gesunde' Städte brauchen". Bei der Planung eines neuen Gebäudes ist es wichtig, darüber nachzudenken, wie es einen Mehrwert für die Stadt schafft, insbesondere in Bezug auf Gesundheit und Vitalität.
Konferenzsaal (Visualisierung):
"Das Heidelberger Kongresszentrum ist ein öffentliches Gebäude und damit wichtig für das städtische Leben in der neuen Bahnstadt. Es leistet seinen Beitrag durch die präzise städtebauliche Einbindung der Architektur in die Umgebung - insbesondere die regionale Sandsteinfassade - und die Reaktion des Gebäudes auf die Hauptverkehrsstraßen der Stadt", so Walter. "Darüber hinaus prägt die räumliche Qualität der Innenräume, die einen spannungsvollen Übergang von den niedrigen zu den 15 Meter hohen Foyerbereichen bieten, den Baukörper. Deshalb ist unser Entwurfsziel ganz einfach: Wir wollen, dass das Gebäude allen Besuchern ein spannendes Raumerlebnis bietet und damit einen städtebaulichen Mehrwert für die Stadt selbst schafft."
Fakten zum Kongresszentrum Heidelberg:
10 Säle oder Räume mit insgesamt 3.800 Plätzen auf drei Ebenen, einem Zwischengeschoss und einer Dachterrasse.
Der Hauptsaal 1, mit einer Höhe von bis zu 16 Metern, bietet Platz für 1.800 Personen, der Saal 2 für 800 Personen.
Das Kongresszentrum hat eine Innenfläche von insgesamt 6.633 Quadratmetern.
Sehen Sie sich Live-Bilder von der Baustelle des Heidelberg Congress Centers an.