Von der Öffentlichkeit als Archello Awards 2023 Universitätsgebäude des Jahres ausgewählt, ist das neue Gebäude der Abteilung für Anatomie an der Medizinischen Universität Graz eine der größten europäischen Bildungseinrichtungen ihrer Art. Der preisgekrönte Entwurf von Franz&Sue für diese neue Einrichtung präsentiert ausgefeilte technische Lösungen und bietet gleichzeitig einen pietätvollen Rahmen für Lehre und Forschung.
Die Abteilung für Anatomie der Universität zieht Experten aus der ganzen Welt an, denn sie hat ein spezielles Verfahren zur Leichenkonservierung entwickelt, mit dem die Studenten chirurgische Techniken in einem realistischen Kontext erlernen können. Der neue Hauptsitz der Abteilung für Anatomie befindet sich im ehemaligen Gebäude des Instituts für Pathologie, einem freistehenden Gebäude im Pavillonstil aus dem Jahr 1912. Daneben befindet sich ein neues Lehr- und Forschungspavillongebäude, das Platz für zwei Seziersäle bietet
Diese beiden Sezierräume sind für 480 Personen ausgelegt, so dass mehrere Studenten gleichzeitig an jedem Tisch arbeiten können. Im Untergeschoss befinden sich Lagermöglichkeiten für die Leichen, darunter insgesamt 180 Plätze in Regalen, ebenso viele in Konservierungsbehältern und 100 Kühlräume.
Franz & Sue erklären, dass eine der größten Herausforderungen bei der Durchführung des Projekts darin bestand, die sehr komplexen technischen Anforderungen einer solchen Einrichtung zu erfüllen, z. B. die Belüftung, um die Formaldehydbelastung an den Seziertischen zu verringern und gleichzeitig so viel Tageslicht wie möglich zu erhalten, ohne dass die Bauaktivitäten von außen sichtbar sind;
Da es für eine Lüftungsanlage dieser Größe keine dem Stand der Technik entsprechende Lösung gab, entwickelten die Architekten im Rahmen des Projekts einen Prototyp für diesen speziellen Zweck. In Zusammenarbeit mit Experten der Med Uni führte das Designteam Tests an 1:1-Modellen durch, führte Rauchversuche durch, um die Luftverteilung zu analysieren, und erstellte eine Luftstromstudie per Computersimulation.
Anstelle einer direkten Absaugung wird bei diesem neuen Verfahren eine Frischluftfahne über den Seziertischen eingeblasen, die sich mit der Raumluft vermischt und anschließend über die Lüftungsanlage abgeführt wird. An jedem Seziertisch werden 150 m³ Luft pro Stunde zugeführt; für den gesamten Raum beträgt die Zu- und Abluftmenge 16.000 m³ pro Stunde, bei einer elf- bis zwölffachen Luftwechselrate. Die neue Technik ist wesentlich effizienter als die üblichen so genannten Laminarsysteme, die etwa die 60-fache Luftwechselrate benötigen.
Das Sezieren von Leichen erfordert so viel Tageslicht wie möglich, aber die Arbeit verlangt auch einen würdevollen Umgang mit den Verstorbenen. Die Fassade musste daher undurchsichtig sein. Als Antwort darauf wählten die Architekten eine transluzente Glasfassade aus Profilglas mit transluzenter Wärmedämmung für die Sektionsräume.
Der große Hörsaal wiederum befindet sich unterhalb des Innenhofs und wird über ein großes rundes Oberlicht und zwei kleinere Atrien mit Tageslicht versorgt. Der Kern des Innenraums und die Verkleidung des Hörsaals bestehen aus mikroperforierten Akustikelementen mit Eichenfurnier. Der holzgetäfelte Hörsaal für 500 Studenten verbindet zudem die bestehende Struktur mit dem modernen Neubau;

Schließlich wird das umfangreiche Raumprogramm des Projekts, bestehend aus Forschungs-, Büro-, Hörsaal- und Studienbereichen sowie großzügigen Flächen für die technische Infrastruktur, platzsparend im aufwendig sanierten Bestandsgebäude untergebracht. Das bestehende Gebäude erhielt einen neuen Eingang mit einer neuen Eingangshalle, die Orientierung bietet und Studierende, Mitarbeiter und Besucher angemessen in dieser herausragenden Lehr- und Forschungseinrichtung willkommen heißt.
"Der gesamte Gebäudekomplex präsentiert sich trotz der vierfachen Vielfalt der Nutzungen und Anforderungen seinen Nutzern als natürlich und strahlt eine entspannte Atmosphäre aus. Stolz sind wir auch auf den unterirdischen Hörsaal, der durch seine Tageslichtöffnungen eine gewisse Eleganz und Hochwertigkeit besitzt. Auch die Lichtskulptur in der Eingangshalle gefällt uns sehr gut", so die Architekten weiter.