EINLEITUNG
Nach 12 Jahren Vorbereitung und 8 Jahren Bauzeit wurde im Zentrum von Rotterdam das größte universitäre medizinische Zentrum der Niederlande eröffnet: das Erasmus MC. Das neue Gebäude verwandelt das medizinische Universitätszentrum von einem Cluster von separaten Gebäuden in eine kleine medizinische Stadt, in der täglich 13.500 Mitarbeiter, 4.500 Studenten und Tausende von Patienten leben. EGM ist sowohl für die Architektur als auch für die Innenarchitektur des neuen Erasmus MC verantwortlich.
In dem neuen 207.000 m² großen Universitätsklinikum dreht sich alles um die Schaffung einer heilenden Umgebung, die das Stressniveau bei Krankenhausbesuchen senkt, die Genesung der Patienten beschleunigt und dem Personal eine angenehme Arbeitsumgebung bietet. Großzügige Verkehrsflächen, verschiedene Atrien, große Fensterflächen, versunkene Innenhöfe und viel Grün verleihen den thematischen Zentren Identität und schaffen die gewünschte Verbindung mit der Stadt. Das Ergebnis ist ein wunderbares und vor allem gesundes Gebäude: eine klar geordnete, sichere und angenehme Umgebung für Patienten, Personal, Studenten und Besucher.
Der neue Erasmus MC
Der neue Erasmus MC ist das Ergebnis eines starken Bestrebens, Pflege, Ausbildung und Forschung zu vereinen. Das 1961 erbaute alte Krankenhaus war zu eng geworden und hatte nicht mehr die interne Organisation und architektonische Qualität eines modernen medizinischen Zentrums. Das neue Krankenhaus ist durchdacht und zeichnet sich durch hohe räumliche Qualität, maximale Nutzungsflexibilität und eine herausragende Rolle für den menschlichen Maßstab aus. Der Komplex wurde in allen Maßstäben mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet, von der städtebaulichen Integration bis hin zur Gestaltung der Vorhänge in den Patientenzimmern: ein wahres Gesamtkunstwerk.
Konzept
Das übergreifende architektonische Konzept resultiert aus den im Rahmen des Erasmus MC entwickelten neuen Krankenhausprozessen, die die erforderliche Versorgung in patientenorientierte Themen wie Onkologie, Herz-Kreislauf oder Notfallbehandlung integrieren und diese Themen in einem umfassenden Baustein um Atrien gruppieren, die in Bezug auf Positionierung, Form und Größe intelligent und effektiv gestaltet sind. Die Gruppierung innerhalb eines Gebäudes optimiert auch die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den Themen.
Gestaltungsprinzipien
Effektives Layout
Das Grundlayout desErasmus MC ist ebenso einfach wie effizient: Die zentrale Verbindungsachse bildet das Rückgrat der komplexen Verbindungen zwischen bestehenden und neuen Gebäuden für Pflege, Ausbildung und Forschung auf logische Weise. Zugänge von allen Seiten führen zu dieser öffentlich zugänglichen U-förmigen Achse. Eine tageslichtdurchflutete Innenstraße, auf der sich Patienten, Besucher, Mitarbeiter und Studenten bewegen, bildet die Achse einen gradlinigen Übergang zwischen Stadt und Krankenhaus und ist eine wichtige Orientierungslinie innerhalb des Komplexes.
An die zentrale Achse schließen sich Atrien an, die so groß wie Stadtplätze sind und die funktional und ästhetisch wichtige Elemente des Entwurfs darstellen. Das Atrium trägt zur Schaffung eines heilenden Umfelds bei und verfügt über spezielle öffentliche Bereiche und eine qualitativ hochwertige Ausstattung mit einer Innenfassade aus Holz, Bambus-Sitzgelegenheiten, in die Begrünung eingelassenen Beleuchtungskörpern und einem verglasten Dach.
Intelligentes und nachhaltiges Bauen
Der Entwurf beinhaltete die Trennung der Hülle von der Inneneinrichtung. Angesichts der Dauer des Projekts war diese Wahl für die Entwicklung des hochmodernen medizinischen Zentrums von entscheidender Bedeutung. Dieser zweigleisige Ansatz bot die Möglichkeit, Entscheidungen über die Integration der neuesten Versorgungskonzepte und den Standort der neuesten medizinischen Geräte so spät wie möglich im Prozess zu treffen.
Mit einem hohen Maß an Flexibilität in der Gestaltung und Nutzung ist das neue Erasmus MC nachhaltig auf zukünftige räumliche Bedürfnisse vorbereitet. Die frei gestaltbaren Stockwerke haben ein Raster von 9,60 Metern, eine Deckenhöhe von 4 Metern und tragende Fassaden für den 31-stöckigen Büroturm. Insgesamt 6.000 m² Dachgärten und Moos-Sedum-Dächer schaffen eine natürliche Wärmedämmung, reduzieren das Volumen des Regenwassers und verbessern die Gesundheit durch die Absorption von Feinstaub und die Produktion von Sauerstoff.
Ein bemerkenswertes Element ist die Abfall-Reinigungsanlage im Souterrain des Komplexes. Hier treffen die Abfallströme aus Küchen, Sanitäranlagen und sogar Betriebseinheiten zusammen, wo Wasserreinigungs- und Vergärungsanlagen sie in sauberes Wasser und Biogas umwandeln, um den Energiebedarf des Zentrums zu decken.
Differenzierte Fassade
Der Haupteingang ist deutlich erkennbar an seinem einladenden Sockel, der hier vier Stockwerke hoch ist. Neben dem Haupteingang befindet sich ein zweigeschossiger, verglaster Sockel, hinter dem sich Büros, ein Fitnessbereich, ein Café und Einzelhandelsbereiche befinden. Die daraus resultierende Lebendigkeit fügt sich direkt in die städtische Umgebung ein. Über dem Sockel befindet sich eine abwechslungsreiche Fassadenkomposition mit schrägen Volumina, abwechselnd horizontalen und vertikalen Fenstern, einer Vielzahl von tiefen Laibungen und Erkern, Elementen mit verschiedenen Betonoberflächen und Holzelementen zu den Patientenzimmern. Diese Komposition bricht die Fassade in klare Elemente auf und erweckt den Eindruck einer Reihe von individuell zusammenhängenden Gebäuden, die entlang einer belebten Straße angeordnet sind. Größere Gebäudevolumen werden auch in kleinere Gebäudevolumen aufgeteilt und fügen sich nahtlos in die umliegenden kleinteiligen Gebäude für den Bildungs- und Wohnbereich ein.
Architektonische Qualitäten
Eingangsbereich und Zentralachse
Die Besucher des neuen Erasmus MC werden angenehm überrascht sein von dem einladenden Eingangsbereich, in dem nichts auf eine Krankenhausatmosphäre schließen lässt. Die heilende Umgebung beginnt sogar im Freien auf dem Eingangsvorplatz mit seinem freundlichen Mauerwerk, den Bänken und der Grünanlage und setzt sich in der gesamten Architektur, Innenausstattung und Gartengestaltung fort.
Gleich im Inneren des Haupteingangs befindet sich das auffällig gestaltete Zwischengeschoss mit einem Grand-Café. Die unregelmäßige, schwebende Form empfängt die Besucher in einem ansonsten orthogonalen Komplex, der sich senkrecht zum Haupteingang befindet, der "Passage", der 300 Meter langen Mittelachse des Komplexes. Optisch markante Binder im Glasdach über der inneren Straße filtern das Tageslicht und sorgen für ein unangenehmes Raumklima. Läden, Kaffeebereiche und viele Sitzelemente schaffen eine Vielzahl von Raumqualitäten, von dynamisch bis hin zu ruhig und intim.
Menschliches Ausmaß
Der Erasmus MC ist wie eine kleine Stadt. Um einen menschlichen Maßstab einzuführen, ist der öffentliche Raum in Straßen und Plätze unterteilt, die durch Namensschilder gekennzeichnet sind. Die Verkehrswege in den Gebäuden erhalten immer Tageslicht, was ein beruhigendes und einladendes Gefühl hervorruft. Ankerpunkte wie die großen Empfangstresen mit abgerundeten Formen und Holzoberflächen, monumentale Kunstobjekte und gruppierte Sitzbereiche, die klar erkennbar und leicht zu finden sind. Die Sitzbereiche werden intensiv zum Warten, Beobachten, Arbeiten, Studieren und Feiern eines Geburtstags, auch von Patienten, genutzt.
Die verschiedenen Funktionsbereiche wie Polikliniken, Ambulanzen, Diagnostik und Pflegeeinheiten sind von den öffentlichen Bereichen aus zugänglich. Fußgängerbrücken, Torbögen und Treppen, die hinter einer verglasten Wand positioniert sind, helfen Patienten und Personal, den Weg zu den verschiedenen Einheiten zu finden. Es wurden robuste Materialien verwendet, die den Geist von Rotterdam widerspiegeln, wie z.B. Stein und verwitternder Stahl.
Tiefer in das Gebäude hinein haben sich die Designer für runde Formen, weichere Materialien und stärkere Farbakzente entschieden. Die angewandten Farben und Materialien schaffen eine frische, natürliche und beruhigende Atmosphäre. Die zahlreichen Rezeptionen im ganzen Krankenhaus, die alle von EGM entworfen wurden, haben eine ähnliche Formensprache. Sie sind dank ihrer abgerundeten Ecken, der hellen Farben und der Bambusverkleidung auch in Stresssituationen sofort erkennbar.
Der Patient steht im Mittelpunkt
Patiententhema
Das neue Erasmus MC unterscheidet sich vom traditionellen Krankenhaus durch die Art und Weise, wie die Versorgung nach den Bedürfnissen des Patienten organisiert wird. Einrichtungen für Syndrome, wie z.B. Onkologie und Gehirn und Sinne, sind vertikal in einer Reihe von Patienten-Themen gebündelt. In diesen Clustern finden die Patienten alles, was sie für ihren spezifischen Versorgungsbedarf benötigen.
Diese thematische Organisation ist horizontal nach Funktionen geschichtet. Im Erdgeschoss befindet sich der Logistikbereich und darüber der Eingangsbereich mit öffentlichen Einrichtungen und Polikliniken. Über ihnen liegen ruhigere Bereiche wie ambulante Patienten, Diagnostik, Intensivpflege und Operationssäle. Je höher man in das Gebäude hineingeht, desto geringer ist die Intensität der Zirkulation. In den obersten Stockwerken, die auch die ruhigsten sind, befinden sich die Pflegeabteilungen.
Da sich Räume mit ähnlicher Funktion, wie z.B. Operationssäle, auf derselben Etage befinden, können diese Räume an einem Tag für Hirnoperationen und am nächsten Tag für Brustoperationen genutzt werden und so auf eine andere vertikal organisierte Patientin wechseln. Dieses Harmonikaprinzip ermöglicht eine möglichst optimale und flexible Raumnutzung, die Wachstum, Schrumpfung oder zukünftige Entwicklungen erleichtert.
Operationssäle, Pflegeeinheiten, Polikliniken, Sprechzimmer und Forschungsräume sind so ähnlich wie möglich angeordnet, um eine leichte Erkennbarkeit für Patienten und medizinisches Personal sowie eine flexible Nutzung und damit Effizienz zu gewährleisten.
Wartebereiche, Ambulanz und Patientenaufenthalte werden durch speziell in Auftrag gegebene wandfüllende Fotos aufgewertet. Zusammen mit den so genannten SkyCeilings und SkyLights - Naturbilder mit Tageslichtsimulation - in Bestrahlungsräumen, in der Notfallversorgung, auf der Intensivstation und in anderen Bereichen wirken sie nachweislich beruhigend und stressmindernd. Es ist eines der Beispiele für den Einsatz von Evidence-Based Design im Projekt.
Politik-Kliniken
Die Poliklinik in den ersten drei Stockwerken des Krankenhauses verfügt jeweils über einen lokalen Empfangs- und Wartebereich mit Bänken, Tischen und Stühlen. Auch hier sorgen viel Tageslicht, angenehme Farben und erkennbare freundliche Materialien für eine ruhige Atmosphäre. Die einzelnen Möbelstücke im Wartezimmer sind so angeordnet, dass die Patienten nach außen schauen können, während sie die innere Straße im Auge behalten, aus der ihr Arzt oder die Krankenschwester sie abholen wird. Verschiedene Muster auf dem Boden unterscheiden subtil den Wartebereich von den Verkehrswegen.
Krankenpflegestationen
Die Pflegeeinheiten befinden sich im 8. bis 12. Stock. Eine wohlüberlegte Wahl, weit weg von der Hektik der öffentlichen Bereiche und der Stadt. Auch hier sorgen Hölzer, Farben und organische Formen für eine angenehme, stressmindernde Umgebung. Auf Wunsch können sich die Patienten für mehr Privatsphäre im eigenen Zimmer oder für den Kontakt mit anderen Patienten im Aufenthaltsraum entscheiden.
Für jeweils acht Patientenzimmer gibt es einen kleinen Bereich auf dem Flur, in dem das Personal kleinere Verwaltungsaufgaben durchführen kann. Durch die Möglichkeit, diese in der Nähe der Räume durchzuführen, wird sichergestellt, dass Patienten und medizinisches Personal in direktem Kontakt miteinander stehen. Im weiteren Verlauf des Korridors bieten Sitzbereiche mit mannshohen Bänken einen ruhigen Bereich, in dem das Personal arbeiten und sich informell treffen kann und gleichzeitig für Patienten und Besucher verfügbar bleibt. Das Gefühl, dass die Pflege immer in der Nähe ist, ist ein stressmindernder Gedanke für Patienten und ihre Angehörigen.
Bemerkenswert ist der bettbare 3000 m2 große Dachgarten, der die Verbindung zu den Pflegeeinheiten herstellt und in großer Höhe eine zweite Bodenfläche schafft. Die angrenzenden Pflegeeinheiten sorgen für eine Größenordnung, die an ein Wohngebiet erinnert. Der Dachgarten bietet eine Oase der Ruhe, Entspannung und Ablenkung für Patienten, die manchmal längere Zeit im Krankenhaus bleiben.
Einzelne Patientenzimmer
Das Konzept der Heilungsumgebung ist ein wichtiger Aspekt bei der Gestaltung von Patientenzimmern. Neben Tageslicht, Grün und Zerstreuung sind die Privatsphäre und die Autonomie des Patienten sehr wichtige Bestandteile dabei. Auch aus diesem Grund hat sich das Erasmus MC ausschließlich für Einzelzimmer für Patienten im neuen Krankenhaus entschieden. Das bedeutet, dass jeder Patient seinen eigenen Ort hat, an dem er allein oder mit seiner Familie sein kann, und dass Gespräche mit Familie und Ärzten hier in Ruhe stattfinden können.
Alle Räume verfügen über einen eigenen Sanitärbereich und direktes Tageslicht. Dies bietet Ausblicke aus dem Gebäude heraus und lässt die Bewohner den Tagesrhythmus erleben. Die Außenrahmen und die Tür sind aus Holz und erzeugen zusammen mit der sorgfältig ausgewählten Farbpalette und der speziell entworfenen Fensterverkleidung eine warme, häusliche Atmosphäre. Glasverkleidungen reduzieren die Auswirkungen von Wind, Lärm und Umweltverschmutzung.
Um ein Gefühl der Geräumigkeit zu schaffen, werden alle festen und freistehenden Elemente im Raum niedrig gehalten, und der Blick vom Bett nach außen und zur Tür bleibt ungestört. Darüber hinaus wird der Selbstversorgung viel Aufmerksamkeit gewidmet. Der Patient hat in den meisten Fällen die Kontrolle über das Geschehen im Raum und kann entscheiden, ob er den Fernseher einschalten, die Vorhänge zuziehen oder ein Fenster öffnen will.
Zimmer in Möbeln
Jedes Patientenzimmer enthält ein speziell von EGM Interiors entworfenes 'Rooming-in'-Objekt. Dieses innovative Bettsofa-Element lässt sich im Handumdrehen austauschen und ermöglicht es den Angehörigen, sich tagsüber im Zimmer zu entspannen, das Mittagessen zu genießen und nachts bequem zu schlafen. Dies trägt auch wesentlich zur Verbesserung der Versorgung und des Wohlergehens der Patienten bei.